Ein leuchtendes Beispiel für langlebige Gestaltung:
die PH5

Gerrit Terstiege

Die Gestaltung von Leuchten bietet fraglos große Freiräume. Denn das mehr oder minder fokussierte Abstrahlen von Licht ist technisch betrachtet keine besonders komplexe Aufgabe. Aber genau diese Gestaltungsfreiräume führen dazu, dass seit Jahrzehnten Unmengen an exaltierten, experimentellen oder unnötig dynamisch erscheinenden Leuchten entworfen werden. Große Messen wie die Euroluce in Mailand oder die Light+Building in Frankfurt sorgen zudem regelmäßig dafür, dass „Leuchten-Trends” als vorgeblich relevante Phänomene diskutiert werden – wo eigentlich gerade das Gegenteil, nämlich langfristiges Denken und Gestalten, Design- und Produktionsprozesse leiten sollten. Eine Leuchte wie die PH5 des dänischen Herstellers Louis Poulsen ist dagegen ein Beispiel für wahrhaft langlebige Produkte, denn ihre Wurzeln gehen zurück bis in das Jahr 1925. Dabei war ihr erster Einsatzzweck, die Ausleuchtung einer großen Halle, nicht eben ideal. Historische Fotos zeigen lange Reihen aus PH5-Leuchten im Forum Copenhagen, das im Februar 1926 mit einer Automobil-Ausstellung eröffnet wurde.

Vorbereitung eines Radrennens im Forum Copenhagen. Foto: gemeinfrei

Und auch für andere Veranstaltungen, wie etwa ein Radrennen in jener Halle, waren die meterhoch angebrachten Leuchten wohl nur bedingt zweckmäßig. Warum? Ihr Aufbau aus drei gestaffelten Schirmen verhindert ja gerade ein Ausleuchten großer Areale, bietet aber im Wohnbereich über Esstischen ein wohltuend blendfreies Licht. Das war die entscheidende Neuerung und die zentrale Gestaltungsidee von Poul Henningsen (1894-1967), dessen Initialen bis heute seinen PH-Leuchtenserien ihren Namen geben. Bereits als 16-Jähriger wurde Hennigsen für ein innovatives Fahrrad-Konzept ausgezeichnet. Seine Architektur-Studien am Copenhagen Technical College und an der Technical University of Denmark schloss er nicht ab. Stattdessen wollte er sich als Autor und Erfinder einen Namen machen. Als Journalist hatte er schon früh die sozialen Auswirkungen architektonischer Entwürfe im Blick und kritisierte etwa ein kurzfristiges Denken bei der Stadtplanung Kopenhagens.

Betrachtet man die Vielzahl seiner Leuchten-Entwürfe, bei denen die meisten einen konzentrischen Aufbau aus gestaffelten Schirmen aufweisen, so mag aus heutiger Sicht vielleicht nicht jedes Exemplar überzeugen. Manche seiner Modelle führen die Idee der Abschattung durch Kaskaden aus Blech fast ad absurdum, so raumgreifend-skulptural nehmen sie sich aus. Seine Paris Lamp etwa, die 1925 auf einer Messe ein der französischen Metropole vorgestellt wurde, zeigt im Ansatz genau das, was seine PH5 als Wohnraumleuchte so überzeugend macht, ohne aber deren zurückhaltende Ruhe und Eleganz auszustrahlen. Gerade eine Pendelleuchte ist ja über weite Teile des Tages nicht in Gebrauch – eben wenn das Tageslicht das Anschalten überflüssig macht. Und hier kommt das im Zusammenhang mit dem Braun-Design ab 1955 oft benutzte Bild des „englischen Butlers” ins Spiel, der sich dezent im Hintergrund hält, wenn er nicht gebraucht wird. Auch dafür ist die PH5 ein leuchtendes Beispiel. Gleichwohl bleibt ja ein nicht-eingeschaltetes Gerät durchaus sichtbar. Daher ist die äußere Form eines Produkts auch dann noch funktional, wenn es nicht in Gebrauch ist. Dies zeigen Fotos der Leuchte über dem Vitsœ-Esstisch 720 im Rams-Haus sehr anschaulich.

Die PH5 im Rams-Haus über dem Vitsœ-Esstisch 720.
Foto: Cassandra Peters © rams foundation

Seit Jahrzehnten kommt sie dort zum Einsatz und ein Austausch für ein modisches, aktuelles Leuchten-Design scheint ganz und gar undenkbar. Vielmehr ist die bewusste Entscheidung für qualitätvolle und langlebige Produkte im Hause Rams an zahlreichen Dingen ablesbar. Und die Freizügigkeit, mit der Dieter und Ingeborg Rams über viele Jahre ihre privaten Wohnräume haben ablichten lassen, hat dazu geführt, dass ihre Haltung im Sinne langlebiger Gestaltung längst Vorbildcharakter besitzt – weltweit. Wer nun eine PH5 in den eigenen vier Wänden nutzen möchte, kann bis heute eine Vielzahl farblicher Varianten über Louis Poulsen beziehen. Oder auf gut erhaltene, gebrauchte Exemplare zurückgreifen, wie sie beispielsweise von Yasmin und Frank Mevissen vertrieben werden. Der Name ihres Vintage-Design-Ladens, Achtgrad, nimmt übrigens Bezug auf die von Dieter Rams gestaltete und ab 1973 produzierte Braun-Anlage audio 308, deren Bedienfeld um acht Grad geneigt ist. Aber das ist eine andere Geschichte .

Langlebigkeit: Gestaltung mit Weitsicht

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„Läuft und läuft und läuft…“, die Braun citromatic MPZ 2 von 1972

Das seit über 50 Jahren unverändert hergestellte Produkt der Marke Braun ist eine kleine, unspektakuläre Zitruspresse. Derer gibt es auf dem Markt viele, mit unterschiedlicher Technik, um den Saft der Orange oder sonstiger Zitrusfrüchte vom Rest zu trennen. Langlebige Technik trifft auf ein langlebiges Design. Und das läuft bis heute auch im Verkauf.

Weniger, aber besser: Dieter Rams' erste Ausstellung in China

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Ein leuchtendes Beispiel für langlebige Gestaltung: die PH5