Die Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld
Gerrit Terstiege
Ohne Zweifel: Die Bauhaus-Leuchte ist nicht irgendein Beispiel für langlebige Gestaltung, sondern zählt zu den weltweit berühmtesten „Designklassikern”. Dieser gern und häufig im Marketing benutzte Begriff ist hier einmal wirklich angemessen. Aber ihr anhaltender Erfolg und ihr schnell zu erfassender technischer Aufbau stellen sich gewissermaßen vor diesen Entwurf und verstellen den Blick. Mit den Schlagwörtern „Bauhaus” und „Wagenfeld” scheint fast schon alles über sie gesagt zu sein. Und man sieht die Leuchte noch immer so häufig, in Wohnungen, gehobenen Einrichtungshäusern und Museen, dass diese gestalterische Leistung fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist. So als hätte es die Leuchte immer schon gegeben, als wäre ihre Form geradezu zwangsläufig. Das ist wohl das Schicksal vieler langlebiger Produkte. Bis heute beliebt als Abo-Prämie von Zeitungen und Zeitschriften (mit Zuzahlung!), begegnen uns ebenso ihre oft hilflosen Kopien in Baumärkten, wie auch perfide Billig-Nachbauten auf fragwürdigen Websites. Daher sah sich der Hersteller der autorisierten Re-Edition, Tecnolumen in Bremen, gezwungen, eine Liste jener Merkmale zu veröffentlichen, die das echte Produkt ausmachen: https://tecnolumen.de/original/ Doch das Schicksal, plagiiert zu werden, teilt die Bauhaus-Leuchte mit vielen Klassikern, vom Eames Lounge Chair über die Junghans-Uhren von Max Bill bis zur Ray Ban-Sonnenbrille „Wayfarer”.
Die „Wagenfeld-Leuchte”, hier in der Variante W 24, produziert von Tecnolumen.
© Tecnolumen
Interessanterweise wurden selbst die berühmtesten und emblematischsten Entwürfe von Dieter Rams, wie etwa der Weltempfänger T 1000, das Radio RT 20 oder seine Wandanlage, nie im Sinne von Produktpiraterie kopiert. Zu aufwendig und zu kostspielig wären wohl die Kopien – und auch die den Originalprodukten eigene historische Technik und Patina ließen sich nicht oder nur schwer imitieren. Aber ähnlich wie beim berühmten Braun SK 4, gab es auch bei der Bauhaus-Leuchte lange einen gewissen Autorenstreit. In seinem 1994 erschienenen Buch „Geschichte des Design in Deutschland” schreibt Gert Selle: „Gerade die verworrene Entwurfsgeschichte dieser Bauhaus-Lampe beweist, dass in der Metallwerkstatt offenbar nicht die individuelle Genietat, sondern eine eher kollektive Sensibilität für technische Materialien und neue Ausdrucksformen herangezüchtet wurde. Ein Typus nimmt plötzlich perfekte Gestalt auf Grund von Einfällen, Experimenten und Vorentwürfen an, die nicht aus einer Hand kommen müssen, so wie schon Thonets Sessel Nr. 14 von 1859 in seiner Herkunft nicht eindeutig definierbar ist.”
Konstruktionszeichnung zur Befestigung des Lampenschirms von Wilhelm Wagenfeld. © Tecnolumen
Doch setzte 1999 höchst offiziell ein Urteil den Diskussionen um verschiedene am Entwurf möglicherweise Beteiligte ein Ende: „UrhG §§ 2, 3, 8, 23, 24 – „Bauhaus-Glasleuchte“ – Urheber der „Bauhaus-Glasleuchte“, charakterisiert vor allem durch eine runde gläserne Fußplatte, einen gläsernen Schaft, in dessen Innerem ein Metallrohr die elektrische Schnur verbirgt, und einen weißen fast halbkugelförmigen Glasschirm, der die Birne als Lichtquelle verbirgt, ist im Rechtssinne allein Wilhelm Wagenfeld. OLG Hamburg, Urt. v. 4.3.1999 – 3 U169/98”. Nun ist es sicher kein Zufall, dass die Leuchte – sei es als WA 24, WG 24, WA 23 SW oder WG 25 GL – immer noch formal auf ganzer Linie überzeugt. Ihre Langlebigkeit ist nicht von ihrer Einfachheit zu trennen, beide Eigenschaften bedingen einander. Die wenigen verwendeten Materialien wurden in ihren Proportionen so harmonisch miteinander kombiniert und abgestimmt, dass eine emblematische, gleichwohl dezidiert technische Skulptur entstanden ist, die auch in ausgeschaltetem Zustand das Auge erfreut. Angeschaltet wiederum liefert sie ein blendfreies, zurückhaltendes Licht, das ihren Umraum auf subtile Weise erhellt. Und das seit über hundert Jahren.
Porträt des Gestalters Wilhelm Wagenfeld (1900 - 1990)
© Tecnolumen
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