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Dieter Rams mit Besuchern in der Ausstellung Less and More in Seoul im Dezember 2010
© rams foundation

Braun Design in Asien

Klaus Klemp

Wenn man das Verhältnis von Braun zu Asien in Betracht ziehen will, dann ist zunächst festzustellen, dass das deutsche Unternehmen schon von Anfang an international ausgerichtet ist. Zum Volksempfänger mit seiner geringen Reichweite bietet man nach 1933 einen Fernempfangs-Vorsatz für Europaempfang an. Legendär wird der T 1000 Weltempfänger von 1963, mit dem man weltweit sämtliche Kurzwellensender empfangen kann.

Der Gründer Max Braun, erfolgreicher Techniker bei der AEG in Berlin, der der Liebe halber ins Rhein-Main-Gebiet übersiedelt, macht sich 1921 mit nur einem einzigen Produkt und einer Handvoll Mitarbeiter in Frankfurt a.M. selbständig. Sein neuartiger Schnellverbinder für gerissene Transmissionsriemen wird schnell zum Verkaufsschlager und schon bei der Frankfurter Herbstmesse desselben Jahres findet er mit Camp & Watson einen englischen Handelspartner, der in britischen Pfund zahlt, was ihn über die deutsche Hyperinflation des Jahres 1923 hinwegrettet. In wenigen Jahren folgen Niederlassungen in den Niederlanden, der Schweiz, in Spanien, Tunesien und Marokko. Mit den ersten Phonogeräten entsteht eine eigene Fabrik in England und Frankreich wird das wichtigste Exportland für die Plattenspielerarme von Max Braun.

1937 ist Braun Teil des deutschen Beitrags auf der Weltausstellung in Paris. Zwei Jahre zuvor hat man einen eigenen Stand auf der „Internationalen Ausstellung“ in Thessaloniki und bekommt auch gleich einen Großen Preis für den BatterieKoffersuper BSK 36. Die nächste Unternehmensgeneration mit Erwin und Artur Braun sieht diese internationale Ausrichtung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht anders. Nun wird zunächst die USA zum interessantesten Markt. 1954 gelingt ein Lizenzabkommen für Rasierer mit dem US Hersteller Ronson im phänomenalen Umfang von 10 Mio. Dollar. Das war bis dahin das größte deutsche Auslandsgeschäft der Nachkriegszeit. Erwin Braun hat es später aber auch als seine größte Jugendsünde bezeichnet, denn bis 1975 darf Braun unter eigener Marke nicht auf dem amerikanischen Markt verkaufen. Und mit den Haushaltsgeräten und den HiFi Anlagen kommt man dort nicht richtig ins Geschäft. Die Konkurrenz ist groß, technisch mindestens ebenbürtig und preislich zumeist günstiger. Vor allem nach Nord,- West- und Südeuropa, aber auch nach Polen und Jugoslawien wird exportiert. 55 % Prozent beträgt im Geschäftsjahr 1967 / 68 der Anteil des Auslands am Gesamtumsatz.

Japan

Braun ist 1959 bei einer deutschen Wanderausstellung erstmals beim Japanese Council of Industrial Design in Japan vertreten und 1965 dort nochmals mit dem Gesamtprogramm. 1973 ist Braun eingeladen sich ausführlich auf dem ICSID Kongress in Kyoto zu präsentieren. Fritz Eichler, Dieter Rams und Wolfgang Schmittel reisen an. Seit dem sixtant sind die Rasierer das finanzielle Rückgrat des Unternehmens und Japan wird dabei alsbald zum größten überseeischen Markt. Bereits im Geschäftsjahr 1964 / 65 hat Braun dort einen Marktanteil von 20 %. Zeitweise wird es sogar zum Marktführer. Mit dem ersten sixtant von 1962, sowie den Nachfolgemodellen verfügt Braun über ebenso elegante wie formreduzierte Geräte, die mit der traditionellen japanischen Ästhetik bestens kompatibel sind. Südkorea und China spielten zu jener Zeit noch keine Rolle, was sich in den 1990er Jahren aber deutlich ändern sollte. Seit 2020 wird der neue Rasierer pocket, gestaltet in Kronberg, allein von Xiaomi Mijia in China hergestellt und dort und von dort vertrieben.

Auf einem anderen Feld hat Japan allerdings dazu beigetragen, den für die Identität von Braun so wichtigen Audiobereich schlichtweg zu eliminieren. Die Braun atelier HiFi Anlagen, obwohl aus Kostengründen schon in Japan und Taiwan produziert, konnten der Konkurrenz von Sony, Panasonic, Sharp oder Onkyo preislich und auch technisch nicht mehr standhalten. 1991 beschließt das amerikanische Management bei Braun das Aus für die verlustbringende Division. Heute, erst 30 Jahre später, gibt es mit drei Smart Speakern wieder einen neuen Anlauf zu einem Audiobereich bei Braun.

Zwei Braun Gestalter waren bzw. sind besonders von traditioneller japanischer Ästhetik beeinflusst. Zunächst Gerd A. Müller, der sich das Land schon durch Bücher, als begeisterter Koch durch die japanische Küche und dann auch durch Reisen nach Japan angeeignet hatte. Sodann Dieter Rams. Beim ICSID Kongress in Kyoto 1973 durfte er zusammen mit Wolfgang Schmittel und Fritz Eichler Braun Design umfangreich präsentieren. Und im Reiseprogramm zu dieser Veranstaltung erhielt er einen intensiven Einblick in die traditionelle japanische Architektur und Ästhetik. Es ging ihm da wie manch anderen deutschen Vertretern der Gestaltungsmoderne wie etwa Hermann Muthesius, Bruno Taut oder Walter Gropius, die darin Seelen- und Formverwandtschaft zur europäischen Moderne sahen. Dem Garten am 1970 entstandenen Wohnhaus des Ehepaars Rams in Kronberg sieht man diese Begeisterung bis heute an.

Drei Jahrzehnte später, im Jahr 2005 hat Dieter Rams eine von Miki Shimokawa organisierte Ausstellung im Kennin Tempel in Kyoto. Für ihn selbst ist es wegen der historischen Architektur bis heute seine schönste Ausstellung in Asien.

Dieter Rams auf einem Spaziergang im Bezirk des Kiyomizu Temple in Kyoto, 1973
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Wolfgang Schmittel, Dieter Rams, N.N., Fritz Eichler (v.l.n.r.) vor dem Kiyomizu Temple, Kyoto anlässlich des ICSID Konferenz, 1973 
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Konferenzsaal der ICSID Tagung, Kyoto, 1973
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Less and More

Dann ist hier von einer weiteren Ausstellung zu sprechen. 1995 wird der Autor durch eine Einladung zu einer zweiwöchigen Informationsreise der Japan Foundation zur japanischen Kultur selbst mit jener konfrontiert und dann im besten Sinne infiziert. Die damalige Begegnung mit dem Kulturreferenten Shigehiko Honda des Goethe Instituts Osaka soll einige Jahre später Folgen haben. Denn bei einem weiteren Besuch in anderer Sache, bringt mich Honda-san mit Keiko Uecki, der Designkuratorin des dortigen Suntory Museums zusammen. Suntory ist einer der größten Getränkehersteller weltweit und betreibt zu jener Zeit zwei große Museen in Osaka und Tokio sowie das sehr renommierte Konzerthaus Suntory Hall, ebenfalls in Tokio.

Bei Tee und Gebäck im Museumscafé in Osaka erfolgt alsbald die Frage, ob man sich eine inhaltliche Beteiligung an einer Dieter Rams Ausstellung vorstellen könne. Warum? Weil man dem japanischen Publikum, das mehr und mehr den bunten Konsumverführungen unterliege, zeigen wolle, dass eine klare und langlebige europäische Position zum Design 40 Jahre lang sehr erfolgreich war. Man wollte also an die eigene Ästhetik durch die europäische Wahlverwandtschaft erinnern.

Was sich der deutsche Kurator als leichte Übung für eine kleine Ausstellung vorgestellt hatte, wurde immer größer und wurde zu einer der Hauptausstellungen des Museums. Nun kann man so etwas in Japan nicht direkt von Kurator zu Kurator beschließen, auch nicht von Direktor zu Direktor, sondern da gibt es gewichtige Institutionen und zunächst einen Wettbewerb mit anderen Projektvorschlägen. Also Konzepte, Ausstellungsexposés und Budgets erstellen, bei Gremien vorsprechen und Erfolg versprechen. Und vor allem immer pünktlich sein. Wenn das Projekt dann glücklich den Zuschlag bekommt, gibt es aber die volle Unterstützung und keine kleinlichen Bedenken mehr oder finanziellen Kleinmut. Allerdings heißt es alles mindestens ein Jahr im Voraus minuziös und auf den Tag genau zu planen. Zukunft wird hier nicht dem Zufall überlassen.

Eine weitere Reise nach Tokio und Osaka im November 2004 zum Vorsprechen bei den Stiftungen und den Juries des Suntory Konzerns, wurde notwendig. Treffen auch mit dem zweiten japanischen Ausstellungsort dem Fuchu Art Museum in Tokio. Mit dem Shinkansen von Tokio nach Osaka, links das Meer rechts lange der Fuji, im Ohr Bach aus dem Bordprogramm. Eineinhalb Stunden Synergie des wunderbar Einfachen wie später der anspruchsvolle Zen-Buddhismus Steingarten des Ryōan Tempels in Kyoto. Treffen mit Akira Tomita Chefkurator Suntory und Kazuhiko Matsumoto CEO von Suntory. So höflich, dass es nur gefährlich werden kann. Meine Begleiter Keiko Ueki und Honda-san regeln das aber alles irgendwie, ich muss nur lächeln und Fettnäpfchen vermeiden. Dann ist es geschafft, Danke, dōmo arigatō. Exposé mit 200 Seiten Umfang ist bis Mitte Dezember abzuliefern.

Nachdem grünes Licht aus Japan gegeben wurde, findet die Endauswahl in Frankfurt und Kronberg statt. 186 Exponate für 1.000 qm in Osaka, überwiegend Leihgaben von der Braun Sammlung in Kronberg, die das Frankfurter Museum später als Dauerleihgabe erhalten wird. Dazu als Kontext Meilensteine eines deutschen und europäischen Designs des 20. Jahrhunderts, welches das Klare und Rationale favorisierte. Da müssen noch viele Leihgeber angefragt werden. Alle liefern. Der Katalog wird ambitioniert auf 400 Seiten geplant. Nach zwei Jahren Recherche, heißt es jetzt schreiben. Weitere Autoren aus Deutschland und Japan sind eingeladen und werden von Keiko dort und von mir hier betreut. Alle Objekte fotografiert der talentierte Absolvent einer deutschen Designhochschule von allen Seiten. Man denkt, das wäre gut. Aber nicht für Japaner. Als die Exponate in Osaka ankommen wird alles vom Fotografen Koichi Okuwaki noch einmal und ganz neu in Szene gesetzt. Und das ist dann doch das überzeugendere Konzept. Die zusätzlichen Sachfotos darf ein Hilfsfotograf machen. Unsere deutschen Fotos sind gerade noch für die Maßabbildungen gut genug. Schließlich hat der Katalog nicht nur 400, sondern 808 Seiten aus verschiedenen Papieren, einem Cover aus weißem Kunststoff und einem grauen Schuber. Es ist ein grafisches Meisterwerk, das später der TDC New York mit einem Gold Cube auszeichnen wird.

1. Station der Less and More Ausstellung in Osaka, 2008
© rams foundation

Osaka

14. November 2008 Ausstellungseröffnung in Osaka. Dieter und Ingeborg Rams, die Stiftungsmanagerin Britte Siepenkothen und ich sind angereist. Wichtige Suntory Manager sprechen. Aber es gibt auch am nächsten Tag ein vom Museum veranstaltetes Symposion mit Dieter Rams, Toshiyuki Kita und Naoto Fukasawa. Vor ausverkauftem Haus (dem IMAX Kino des Museums), also vor knapp 500 Zuhörern geben die drei Designer ein eindrucksvolles Plädoyer für eine Produktgestaltung ab, die sich den Bedürfnissen der Benutzer und nicht einem Star- und Marketingdesign widmet. Fukasawa etwa sagt, dass wir wieder Dinge gestalten müssen, „die in die Gesellschaft hineinpassen“. Die vor allem jungen Besucher der Veranstaltung quittierten mit anhaltendem Applaus.

Titelseite der Zeitschrift Design+Design 86, 2008/09 mit dem Plakatmotiv der Ausstellung Less and More in Osaka
© Hartmut Jatzke-Wigand

Tokio

Zweite Ausstellungsstation ist Tokio mit dem Fuchu Art Museum. Das ist eine Art Stadtteilmuseum, wobei man wissen muss, das Tokio eben aus verschiedenen Städten besteht, die oft durch Parks getrennt sind und ganz unterschiedliche Charaktere haben können. Jede dieser Städte ist auch um eine eigene kulturelle Identität bemüht. Und das hat in der großen Stadt auch jeweils große Ergebnisse. Also auch dieses 2000 eröffnete ‚Stadtteilmuseum‘ im Westen Tokios wäre in einer kleineren Stadt das Hauptmuseum.

Im Mai 2009 geht es zusammen mit Dieter Rams und Britte Siepenkothen zur Eröffnung nach Tokio. 21. Mai Inspektion des Ausstellungsaufbaus, anschließend Interview mit der BBC. Am frühen Abend Besuch des Studios Naoto Fukasawa Design. Am 22. Mai von 15 bis 17 Uhr Eröffnung der Ausstellung, 18 bis 20 Uhr Eröffnungs-Party im japanischen Restaurant.

Ein Symposion der Tokioer Musashino Art University, das einen Tag nach der Ausstellungseröffnung im Fuchu Art Museum stattfindet, geht der Frage nach, wie sich die zukünftige Entwicklung der Gestaltung darstellen könnte. Neben Dieter Rams, der in einem eigens verfassten Manifest vor allem die Design-Studierenden zu mehr Mut und Verantwortlichkeit aufruft, zeigt der Elder Statesmen des japanischen Produktdesigns, Prof. Shutaro Mukai, die historisch engen Verbindungen zwischen seinem Land und Deutschland auf. Und in Taku Satoh plädierte ein prominenter Vertreter der jüngeren Generation nachdrücklich für eine neue gesellschaftliche Kompatibilität der Designerinnen und Designer. Nicht Marketing und Ökonomie seien die originären Felder des Designs, sondern vielmehr die Interessen der Benutzer, letztlich auch eine ästhetische Kultur des Alltags. 250 vornehmlich jugendliche Besucher der Veranstaltung gehen damit in einer ausführlichen Diskussion überein und feiern anschließend Dieter Rams als Gründungsvater ihrer eigenen ‚iPod-Identität‘. In Japan zeigt sich dieser Interessenwandel der Designer vom Marketing zur Nutzungsorientierung besonders deutlich.

Nach Tokio wäre es dann mit der Ausstellung gewesen, zum Schluss war es noch in Frankfurt angedacht. In Osaka war allerdings schon zum Aufbau der Direktor des Londoner Designmuseums Deyan Sudjic angereist. Eine Übernahme nach dort wird angeboten. Welch eine Perspektive. Und das findet dann auch statt.

Dieter Rams und Shigehiko Honda nach dem Symposion der Tokioer Musashino Art University am 23. Mai 2009 umringt von Studentinnen und Studenten 
© rams foundation

Seoul

Frankfurt ist Routine, aber dann kommt noch eine Anfrage aus Seoul vom Daelim Contemporary Art Museum, in Zusammenarbeit mit Byeong-hye Lee Prinzipal von Design IGA² und eigentlicher Motor der Station in Seoul. Ein Ausstellungsgestalter, ein Design-Aficionado und ein leidenschaftlicher Sammler in dessen Büro man durch enggestellte Regale wie in einem Labyrinth zu seinem Schreibtisch findet, auf dem noch maximal 50 x 50 cm freier Platz sind. Da kann man gerade noch den Leihvertrag unterschreiben. Also, alles 2010 wieder auf die Reise zurück nach Asien. Koreaner sind verliebt in die neueste Technik, um so erstaunlicher, dass die historischen Braun Geräte solch einen Anklang finden. Immerhin gibt es 42.362 präzise gezählte Besucher, vor allem junge Menschen. Und es gibt Interesse am deutschen Design. Dazu wird der Autor kurz vor Weihnachten zur Gastvorlesung an der renommierten Seoul National University of Science and Technology eingeladen.
 

Am 18. Dezember 2010 findet ein International Academic Seminar, mitten in Seoul in der Olleh Square Dream Hall der privaten Korea Telecom, vor 200 Zuhörern statt, das schon nach wenigen Stunden im Internet ausgebucht ist. Teilnehmer sind Prof. San Gyu Kim von der Seoul National University; Joo Yeon Lee, Direktor des Daelim Museums; Prof. Byung Yong Lee von der Yonsei University; Prof. Soon Yong Lee, Präsident des Korea Design Industry Research Center, der Autor als Vertreter des Museum Angewandte Kunst in Frankfurt und selbstverständlich Dieter Rams. 

Die Presseresonanz kann sich sehen lassen: ein ganzseitiger Artikel in der größten koreanischen Tageszeitung Chosun (Auflage 2,5 Mio.) sowie in zahlreichen anderen Tageszeitungen, ein vierseitiger Bericht im koreanischen Harpar’s Basaar, acht Seiten im Magazin Design. Dieter Rams wird bei der jährlich unter Studenten durchgeführten Umfrage des Magazins Design mit der Frage, wer der wichtigste lebende Produktdesigner sei für das Jahr 2011, auf Platz 1 gewählt (2010 war er noch nicht einmal unter den ersten 10). Rams und Braun Design sind in Seoul angekommen. Auch das Daelim Museum ist ein privates Museum und wird von einem gleichnamigen südkoreanischen Bauunternehmen getragen. Deren leitende Mitarbeiter ‚dürfen‘ sich in einem Firmenseminar dann auch die Designauffassung der Deutschen sowie der japanischen Kuratorin anhören

Südkorea ist anders. Ob Kaufhaus oder Galerie, man kommt stets durch ein Spalier hübscher, schlanker, wohlgekleideter und stets lächelnder Hostessen. Im Taxi in Seoul hat man das Gefühl eigentlich immer im Stau zu stehen. Wundersamerweise kommt man aber doch mit passabler Reisezeit an. Gezahlt wird mit der U-Bahn-Karte oder der Kreditkarte. Für 15 Euro Fahrpreis kommt man durch ganz Seoul. Im Stadtteil Itaewon gibt es 2.000 Geschäfte, viele davon mit Fakes. Man sagt, die Koreaner machen die besten Handtaschenkopien der Luxusmarken, die kaum vom Original zu unterscheiden sind. Aber auch das ist ein Fakt: Hyundai und Kia haben den deutschen Automobildesigner Peter Schreyer, vormals VW und Audi, zum Chefdesigner inklusive Vorstandstätigkeit gemacht, was durchaus nicht ganz erfolglos war. Mit drei regionalen Designstudios von Kia in Tokio, Kalifornien und Frankfurt a.M. entwickelt man eine eigene Gestaltungshaltung. Beide Marken haben sich auch in Europa und Amerika etabliert. Hyundai Motor ist heute nach Toyota und VW der drittgrößte Autohersteller. 

Und als wenn das mit Seoul noch nicht genug gewesen wäre, kommt eine weitere Anfrage aus dem San Francisco MoMA. Da kann der Transport ostwärts weitergehen. Das ist nicht mehr Asien, aber es wird der abschließende Top Act mit dort mehr als 200.000 Besuchern. Insgesamt waren es auf der ganzen Tour etwa 400.000. Eine ganze Menge für eine ursprünglich klein geplante Ausstellung in Japan.

Less and More Ausstellung im Daelim Museum in Seoul, 2010/11
© Daelim Cultural Foundation

China

Auch andere haben das Braun Design in Asien bekannt gemacht. Das noch recht neue China Museum Of Design der Architekten Álvaro Siza und Carlos Castanheira in Hangzhou, 190 km süd-südwestlich von Shanghai zeigt im Winter 2019 / 2020 die Ausstellung A Face of Second Modernity: The Braun Design 1951-1967 unter Beteiligung des Archivs der HfG Ulm, des Berliner Sammlers Werner Ettel und der Hamburger Sammler und Herausgeber der Zeitschrift design+design Jo Klatt und Hartmut Jatzke-Wigand. Dabei hat das Museum, das auch schon über eine größere Bauhaussammlung verfügt, reichlich von den deutschen Sammlern eingekauft. Man versucht ein wenig die Deutungshoheit über deutsches Design für China zu erlangen. 

Braun in Asien

Die Marke Braun und vor allem auch Dieter Rams sind in den drei wichtigsten asiatischen Ländern China, Japan und Korea alles andere als unbekannt. Noch haben dort Produkte aus Deutschland ein hohes Renommee, was auch mit technischen Qualitäten zu tun hat. Das dort identifizierte solide „deutsche Design“ basiert zumeist aus einer Haltung der 1960er bis 80er Jahre. Da ist in den letzten 30 Jahren im deutschen Industriedesign nicht sehr viel Neues passiert. Deutsche Gestalter und Gestalterinnen wären nicht schlecht beraten, einen Blick auf die eigene Tradition zu werfen, wozu das Wissen um Designgeschichte ein probates Mittel wäre. Allerdings sind die entsprechenden Professuren an deutschen Hochschulen in den letzten 15 Jahren immer mehr abgebaut und durch reine Theorieprofessuren ersetzt worden: Weimar, Wuppertal, Saarbrücken, Kassel und jetzt auch Offenbach. Ohne fundierte Geschichtskenntnisse und dazu gehört auch eine entsprechende universitäre Forschung, bleibt Designtheorie beliebig.

Wenn uns da mal Asien nicht rechts überholt.

 
Erweiterte Fassung des gleichnamigen Buchbeitrags in: Alwin und Dieter Zenkel (Hrsg.): Braun erleben. Stuttgart 2024.
 

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