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„Die Idee eines selbst­erklä­ren­den Designs hat uns sehr geprägt”

Interview mit Till Schneider von Gerrit Terstiege
Der Architekt Till Schneider engagiert sich seit Jahren im Kuratorium der rams foundation. Er ist Partner des international renommierten Architekturbüros schneider+schumacher, das an den Standorten Frankfurt, Berlin, Wien, Tianjin und Shenzhen vertreten ist. Wir sprachen mit Schneider über für ihn wichtige archi­tektonische Entwürfe der letzten 30 Jahre, seine kreative Partnerschaft mit Michael Schumacher – und über die künftige Entwicklung der Disziplinen Design und Architektur.
Der Architekt Till Schneider im Frankfurter Hauptsitz von schneider+schumacher

Der Architekt Till Schneider im Frankfurter Hauptsitz von schneider+schumacher, vor dem Regalsystem 606 und dem Sesselprogramm 620 von Vitsœ.
© Gerrit Terstiege
GT: Till, vor 25 Jahren wurde die von euch entworfene Braun-Hauptverwaltung in Kronberg fertiggestellt. Wie blickst du heute nach einem Vierteljahrhundert auf das Projekt zurück?
TS: Braun war für uns damals – und ist es auch heute noch – ein bedeutsames Projekt, weil es uns mit einer anderen Art von Unternehmensarchitektur in Verbindung gebracht hat. Uns war die Designphilosophie von Braun natürlich bekannt – aber im Austausch haben wir gemerkt, wie nah uns das eigentlich ist, wofür Braun steht. Trotzdem darf man so etwas nicht direkt übersetzen, also kein Gebäude machen, das wie ein Taschenrechner aussieht oder wie eine Hifi-Anlage. Uns war wichtig, in diesem Geist etwas zu entwerfen, das auf der einen Seite funktional ist und auf der anderen Seite innovativ, so dass das Ergebnis eine freundliche Wirkung hat auf die Menschen, die dort arbeiten. Und für den, der das Geld dafür ausgibt, sollte etwas Einprägsames entstehen, das aber nicht laut wirkt. Sozusagen kommunikative Architektur.
Der von schneider+Schumacher entworfene Braun-Hauptsitz in Kronberg
Selbsterklärend: Der von schneider+Schumacher entworfene Braun-Hauptsitz in Kronberg lässt keine Zweifel auf­kommen, wo sich der Eingang befindet.
© Jörg Hempel
GT: Es gibt ja diesen berühmten Satz von Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.” Das könnte in diesem Fall bedeuten: auch leise, zurückhaltende Architektur trägt unweigerlich eine Botschaft in sich. Macht ihr vor dem eigentlichen Entwurfsprozess eine Art Liste mit Keywords oder Eigenschaften, die ein Gebäude ausstrahlen soll?
TS: Bei dem Gebäude war das in der Tat so. Manches wurde schon im Briefing formuliert, anderes ergab sich aus der Designkultur von Braun. Etwa die Idee eines selbsterklärenden Designs hat uns sehr geprägt. Das hatte auch Auswirkungen auf die Organisation des Hauses: zum Beispiel, dass der Eingang unmittelbar zu finden ist – da kommen keine Fragen auf. Wenn man dann hineinkommt in diese Halle, gibt es Elemente, an denen man sich entlang bewegt. Und so bekommt man ziemlich schnell einen Überblick: wie groß ist das, wie viele Geschosse hat das, so dass man sich gut und schnell orientieren kann. Wir haben auch darauf geachtet, dass wir alles auf das reduzieren, was man wirklich braucht. Glas-Elemente in der Fassade können sich wie ein gespreiztes Gefieder öffnen, um Luft zirkulieren lassen zu können. Darüber hinaus gibt es in der Fassade zwei Schichten, so dass man auch den Sonnenschutz wunderbar am Rahmen justieren kann, individuell und ohne Fernsteuerung, genauso wie beim Öffnen der Lüftungsklappe automatisch die äußere Fassadenplatte auffährt. Übrigens war die Positionierung des Gebäudes ursprünglich anders geplant: dort, wo heute der Parkplatz ist. Wir haben für die Fläche entlang der Straße plädiert, um die Chance für einen neuen Auftritt zu nutzen – was letztlich auch angenommen wurde.
Der Hauptsitz von Braun
Architektur und Natur im Dialog: Der Hauptsitz von Braun verläuft ent­lang der Landstraße – eine Idee von schneider+schumacher.
© Kirsten Bucher
GT: Hattest du vor dem Kronberger Bauprojekt in irgendeiner Form schon eine Beziehung zu Braun oder zu Dieter Rams?
TS: Natürlich kannte ich Braun. Die Wecker waren mir bekannt. Mein erster Rasierer war ein Sixtant 8008, den ich viele Jahre in Gebrauch hatte. Ich habe den heute noch, aber er funktioniert leider nicht mehr. Weggeworfen habe ich ihn trotzdem nicht, weil ich ihn einfach als Objekt mag. Ich hatte den gerne in der Hand. Damals konnte ich mir keine Stereoanlage von Braun leisten. Ich hatte aber die Kaffeemaschine, einen Handmixer und auch eine elektrische Zahnbürste von Braun.
GT: Und zu Rams?
TS: Wir haben Rams damals wahrgenommen, als wir an diesem Wettbewerb um die Hauptverwaltung von Braun teilgenommen haben. Als wir dann den ersten Preis bekommen haben, war er zugegen, aber der Kontakt war zunächst nicht besonders intensiv. Er hat das, glaube ich, wohlwollend zur Kenntnis genommen. Eine richtige Beziehung baute sich dann auf, als wir sein Vitsœ-Regalsystem bei uns im Büro praktisch wie einen kleinen beispielhaften Showroom ins Haus bekommen haben. Über die Jahre haben wir Rams dann öfter getroffen, auch über Klaus Klemp, der den Kontakt hergestellt hat. Man hat sich immer gefreut, wenn man sich getroffen hat. Dadurch, dass Dieter Rams selber Architekt war oder auch immer noch ist, hat er diese Nähe zur Architektur, zu architektonischen Fragestellungen.
Dieter Rams im Gespräch mit Till Schneider und Michael Schumacher
Dieter Rams im Ge­spräch mit Till Schneider (links) und Michael Schumacher (Mitte) bei einem seiner Besuche im Büro der beiden Archi­tekten.
© Vitsœ
GT: Er hat ja auch auf dem Braun-Firmengelände in Kronberg das Verwaltungsgebäude „Schwarzer Stern” entworfen sowie bei der Siedlung „Roter Hang” gestalterisch mitgewirkt und Impulse gegeben.
TS: Sein Haus, eigentlich ein Doppelhaus, ist traumhaft. Diese Großzügigkeit und diese Eindeutigkeit, wie man sich dort zurechtfindet – das steht eben auch dafür, wie nah ist man am Menschen dran, wie setzt man sich mit dem Objekt in Beziehung, innerhalb der Siedlung.
GT: Im Film über Rams von Gary Hustwit gibt es ja eine Einstellung aus der Vogelperspektive, die die Grundstruktur der Siedlung zeigt. Das ist schon eng bebaut im Sinne einer sehr effizienten Raumausnutzung, hat aber auch eine Rhythmik und lässt den Bewohnern Raum. Du bist ja mehrmals im Jahr dort, weil du dich auch im Kuratorium der rams foundation engagierst. Gibt es etwas, das du von Dieter Rams gelernt hast oder das dich an seiner Entwurfshaltung besonders interessiert?
TS: Also ich glaube, ein paar Sachen kamen ja eben schon zur Sprache: wie man durch Konzentration und Reduktion eines Entwurfs eine gewisse Dichte und Klarheit erzeugt. Sein Credo „Weniger, aber besser” kann sicher für das eine oder andere Projekt von uns gelten. Es gibt in dem Zusammenhang auch von Egon Eiermann ein kluges Wort: „Mach es so einfach, wie es geht – koste es, was es wolle.” Dieser Satz verdeutlicht, dass es eben nicht leicht ist, etwas Einfaches zu schaffen. Im Gegenteil. Oft kostet es viel Anstrengung. Es geht ja beim Einfachen auch um Präzision und Sorgfalt.
GT: Um dieses Ziel zu erreichen, muss man sich als Architekt für die entsprechenden Auftraggeber entscheiden. Man sollte an einem Strang ziehen. Bei Braun war ab Mitte der 1950er Jahre ein Geist, eine Haltung im Unternehmen, die genau die Art von Klarheit und Einfachheit durchsetzen wollte, die Rams entsprach. Nun haben wir 2025 und ihr realisiert auch Projekte in China. Wenn ich manche chinesische Skyline sehe, fühle ich mich an Amusement-Parks erinnert, wo jedes Gebäude exaltierter sein will als das andere. Wie geht ihr mit so einem Umfeld um?
TS: Für so etwas gibt es den Begriff „Look at me”-Architektur: Wenn auf Teufel komm raus, egal wo ein Gebäude steht, egal welchem Zweck es dienen soll, eine Form von Expressivität gesucht wird. Da fragt man sich: Wozu ist das gut? Was löst das jetzt an Problemen? Gibt es Erkenntnisse im Stadtraum durch dieses Objekt? Oder bringt das was für die Nutzer oder für die Investoren? Wozu ist das eigentlich da? Wahrscheinlich am ehesten für die Investoren. Wir sind eher mit ruhigen Entwürfen unterwegs. Und wenn es gut läuft, bauen wir eine Beziehung zu den Bauherren auf. Egal ob das jetzt private Bauherren sind, da ist es noch leichter, oder institutionelle. Bei der öffentlichen Hand werden Aufträge ja meist über Wettbewerbe vergeben. Wenn man eine Jury überzeugt, hat man auch eine stärkere Rückendeckung in dem, was man als Vorschlag geliefert hat. In unserer mehr als 35-jährigen Geschichte gab es vielleicht zwei- oder drei Mal den Fall, dass unsere Bauherren und wir nicht zueinander fanden – wo wir dann einfach gesagt haben: das macht keinen Sinn. Und wir trennten uns völlig im Einvernehmen. Deshalb beginnen wir immer niederschwellig mit einem Projekt, machen einen Vorschlag – und wenn er gefällt, machen wir gerne weiter. Wenn wir mit der Antwort nicht klarkommen oder wenn wir merken, dass die Sichtweisen auf die Dinge zu unterschiedlich sind, macht eine weitere Zusammenarbeit keinen Sinn.
Till Schneider (links) und Michael Schumacher.
Seit über 35 Jahren ein erfolgreiches Team: Till Schneider (links) und Michael Schumacher.
© Kirsten Bucher
GT: Im Gegensatz zum Design gibt es in der Architektur häufiger große Büros, die von einem Duo gegründet wurden – etwa Herzog & de Meuron, Bethem Crouwel, SANAA, Lacaton & Vassal … Warum ist das so?
TS: Architektur ist ja eine komplexe Angelegenheit. Durch die Vielzahl von Themen, die heutzutage Architektur beeinflussen – etwa das Baurecht, das Thema Nachhaltigkeit mit den Auflagen, die daraus entstehen … es gibt einfach so viele Aspekte, dass es gut ist, wenn man einen Partner auf Augenhöhe hat, mit dem man sich austauschen kann, mit dem man sich versteht.
GT: Wie genau gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Michael Schumacher? Gibt es eine feste Aufgabenteilung?
TS: Ich möchte es mal so ausdrücken: Wir sind relativ nah beieinander. Michael ist der Extrovertiertere von uns beiden. Durch seine Professur hat er auch eine andere Strahlwirkung nach außen. Wenn es an den Entwurf geht, ordnen wir den immer einem von uns beiden zu. Es ist besser, wenn den Entwurf einer verantwortet – und wenn er Lust und Spaß hat, dann holt er den anderen dazu und sagt: hier, ich muss dir mal was zeigen. Aber keiner von uns beiden muss sich unbedingt danach richten, was der andere vorschlägt oder kommentiert. Jeder kann sagen: okay, ich habe das jetzt gehört, ich habe es verstanden – du würdest es anders machen. Ich mache es trotzdem so.
Der hölzerne Innenraum der Autobahnkirche Siegerland suggeriert Bewegung.
Ein Raum als Fluidum: der hölzerne Innenraum der Autobahnkirche Siegerland suggeriert Bewegung.
© Kirsten Bucher
GT: Ihr lasst euch gegenseitig Freiräume.
TS: Ja, genau. Aber das war ein Weg dahin. Wenn man so ein Büro zu zweit anfängt, hat man das Gefühl, alles müsse gemeinsam entschieden und getragen werden. Man hat diese Freiräume – gefühlt – noch gar nicht, weil es am Anfang einfach zu wenige Projekte gibt und beide Partner fokussieren sich ganz auf das eine, aktuelle Projekt. Das wird dann anders, sobald es mehr Aufträge gibt. Irgendwann wurde uns dann klar: Wir können gar nicht mehr alles gemeinsam besprechen. Das schaffen wir aus zeitlichen Gründen schlicht nicht mehr. Heute ist die Situation so: Wenn wir es möchten, hat der andere ein offenes Ohr und offene Augen.
GT: Ihr habt beide ein Postgraduierten-Studium bei Peter Cook an der Städelschule gemacht. Er ist für avantgardistische Entwürfe bekannt. Ich sehe bei euren Bauten eher eine größere Strenge. Inwiefern hat euch Cook geprägt?
TS: Wir haben beide eine fundierte, technische Grundausbildung an der Uni in Kaiserslautern bekommen, ich bin dann nach Darmstadt gegangen. Und irgendwann haben wir uns an der Städelschule in Frankfurt wiedergefunden. Den Abschluss dort brauchten wir beide nicht. Aber wir haben den Ort so verstanden, dass er uns hilft, unsere Gedanken, die Entwurfsgedanken zu schärfen. Und in dieser Hinsicht war Peter Cook ein hervorragender Lehrer. Der macht ja eine Architektur, die mit der von uns gar nichts zu tun hat. Aber er ist einfach einer, der wahnsinnig viel gesehen hat. Er hatte damals ja noch gar nicht viel gebaut, sondern war über seine Zeichnungen bekannt. Das fing dann erst danach an und in diversen Partnerschaften, die er eingegangen ist. Das Kunsthaus in Graz zum Beispiel ist ganz besonders. Er hatte einen sehr, sehr guten Überblick, was so passiert in der Welt. Und er hielt einen dazu an, zuerst mal zu formulieren, wo man eigentlich hin will: Was ist das Problem bei der Aufgabe oder bei dem Ort? Wie kannst du da etwas entwickeln, was Eigenständigkeit hat und in sich konsequent ist?
Von außen betrachtet, greift die facettenreiche Form des Gebäudes das Verkehrszeichen-Piktogramm für Autobahnkirchen auf, andererseits erscheinen die Kirchturmspitzen wie die Ohren eines Fuchses.
Von außen betrachtet, greift die facetten­reiche Form des Ge­bäudes das Ver­kehrs­zeichen-Piktogramm für Autobahnkirchen auf, andererseits erscheinen die Kirch­turm­spitzen wie die Ohren eines Fuchses.
© Jörg Hempel
GT: Waren das vor allem freie, experimentelle Projekte?
TS: Ja, genau. Michael hat in der Zeit einen riesigen Schaufelradbagger entwickelt, der sich in die Erde reingräbt, ein paar Mal um die eigene Achse dreht, sich dann zerlegt und einen Raum schafft, einen kugelförmigen Raum, in dem Teile des Baggers für eine große Badeanlage benutzt werden können. Und mir hatte Cook gesagt: „Stell dir vor, du könntest auf dem Platz der Republik in Frankfurt ein Hochhaus bauen.“ Ich merkte bei der Aufgabe: die klassische Aufteilung von Hochhäusern aus Sockel, Schaft und Spitze nervt mich. Beim Schaft weiß man immer nicht, wie lang soll der eigentlich werden? Das hat so eine gewisse Beliebigkeit. Ich habe dann ein Hochhaus konzipiert, bei dem von Anfang an definiert war, wo es zu Ende ist. Es war 220 m hoch und hatte als Grundform ein Dreieck, das um eine Mittelachse rotierte. Das waren sehr gegensätzliche, experimentelle Entwürfe, die uns aber nachher wieder geholfen haben. Zum Beispiel beim Erweiterungsbau des Städelmuseums, wo es auch darum ging: Man gräbt etwas ein – wie macht man das – und wie wird es sichtbar? Oder beim Westhafen-Tower, wo die Drehung, in einer viel einfacheren Form, zum zentralen Entwurfsgedanken wurde. Wie kommt man in der Entwurfsphase zu etwas wirklich Eigenständigem? Das ist etwas, was wir bei Peter Cook gelernt haben.
Blick vom Inneren des Westhafen Towers auf den Main.
Blick vom Inneren des Westhafen Towers auf den Main. Die Fassade erinnert manche an ein geriffeltes Äppelwoi-Glas.
© Kirsten Bucher
GT: Würdest du sagen, dass es so etwas wie eine für euch typische Architektursprache gibt?
TS: Vielleicht eher eine für uns typische Herangehensweise – aber Architektursprache: nein. Die Wahl der Baumaterialien und die Konstruktion spielen sicher immer eine große Rolle. Wir machen uns viel Gedanken darüber, wie man auf eine angemessene Art und Weise einen Bau an einem bestimmten Ort für einen bestimmten Zweck realisieren kann. Und in den letzten Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit noch bedeutender geworden. Also kommen weitere Fragen hinzu: Was ist der Ressourcenverbrauch? Wie ist es mit dem CO2-Footprint? Kann man Recyclingbeton einsetzen? Mit welchen Konsequenzen? Aber wir verteufeln den klassischen Beton gar nicht. Es gibt auch heute noch gute Gründe, mit Beton zu bauen.
GT: Warum habt ihr für schneider+schumacher eine eigene Designabteilung geschaffen und was für Projekte werden dort bearbeitet?
TS: Manchmal hatten wir bei Projekten den Eindruck, dass es für bestimmte Raumsituationen und Orte einfach nicht das passende Produkt gibt. Wir haben zum Beispiel für die Braun-Hauptverwaltung ein eigenes Waschbecken entworfen und auch eigene Leuchten. Oder haben Trennwände entwickelt, die es so noch nicht gab, mit einem hohen Maß an Transparenz. Eine von unserem Designteam entworfene Stehleuchte hat der Schweizer Hersteller Regent produziert. Auch dieser Schreibtisch hier, an dem wir sitzen, ist von uns entworfen worden. Man könnte ihn auch als Konferenztisch auffassen – jedenfalls eignet er sich für genau die Gruppengröße der meisten Besprechungen hier. Das parametrische Design hilft uns auch, bestimmte Ideen und Raumsituationen durchzuspielen, die eine größere geometrische Komplexität besitzen. Es kann entscheidend sein, etwas visuell zu simulieren, wenn man noch nicht genau weiß, wohin die Reise geht. Das Städeldach war so eine Geschichte. Da mussten wir viele Parameter und Faktoren testen: wieviel Licht kommt ins Gebäude, wieviel geschlossene Flächen brauchen wir, wie ist es mit der Tragwerksplanung, wie ist es mit der Wölbung, die das Städeldach hat? Da hingen so viele Themen miteinander zusammen und wir brauchten ein flexibles System, dessen Faktoren wir beeinflussen konnten, ohne den Blick auf das Gesamtsystem zu verlieren.
Statt das historische Städelmuseum mit einem sichtbaren Baukörper zu erweitern, entschieden sich schneider+schumacher dafür die neuen unterirdisch anzulegen.
Statt das historische Städelmuseum mit einem sichtbaren Baukörper zu er­wei­tern, entschieden sich schneider+schumacher dafür, die neuen unter­irdisch anzulegen. Die Wölbung und die Anzahl und Platzie­rung der Oberlichter wurden zunächst digital simuliert.
© Norbert Miguletz
GT: Wie ist in deinen Augen das Verhältnis von Produkt-Design und Architektur? Gibt es Gemeinsamkeiten? Was unterscheidet beide Tätigkeiten?
TS: Also die Gemeinsamkeit ist, glaube ich, dass beide Disziplinen im besten Sinne für die Menschen etwas Gutes tun, etwas verbessern wollen. Gut gestaltete Produkte fasst man gerne an – und Design kann helfen, dass man schnell versteht, wie Dinge funktionieren, auch ohne die Betriebsbeschreibung studieren zu müssen. Ein klares Layout und eine Eindeutigkeit in der funktionellen Zuordnung von Elementen sind da sicher hilfreich. Bei der Architektur ist der Maßstab größer – was viele Parameter verändert. Es geht um Orientierung, und darum, dass man sich in einem Gebäude wohlfühlt. Aber es steht für mich außer Zweifel: bei beiden Disziplinen sollte der Mensch und sein Wohlbefinden im Fokus stehen.

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